🌊 Ebbe, Flut & Fixkosten: Warum wir im Sommer unseren Winterspeck verdienen

🌊 Ebbe, Flut & Fixkosten: Warum wir im Sommer unseren Winterspeck verdienen

Warum gerade die Hochsaison ĂŒber den Winter entscheidet – und was es heißt, auf einer Nordseeinsel mit Kind, GeschĂ€ft und Leidenschaft durch alle Jahreszeiten zu wirtschaften.

🧀 KĂ€se, Konzept und Konsequenz – warum wir unsere KĂ€setheke umgebaut haben Du liest 🌊 Ebbe, Flut & Fixkosten: Warum wir im Sommer unseren Winterspeck verdienen 8 Minuten

Seit unser Sohn auf der Welt ist, haben wir uns bewusst fĂŒr einen Saisonbetrieb entschieden. Der INSELWiNKEL ist jedes Jahr von Mitte MĂ€rz bis etwa Mitte November geöffnet – also vom FrĂŒhlingsbeginn bis nach den Herbstferien. In dieser Zeit geben wir alles. Und genau in dieser Zeit entscheidet sich, wie gut wir durch die restlichen Monate kommen.

Im Juli und August brummt es auf der Insel. Es ist Hochsaison – fĂŒr die FĂ€hren, die Restaurants, die Ferienwohnungen. Und natĂŒrlich auch fĂŒr uns im INSELWiNKEL.

Was viele nicht wissen: Jetzt entscheidet sich, wie wir durch den Winter kommen. Oder ob ĂŒberhaupt.


☀ Drei Viertel Jahresumsatz in sieben Monaten

Bis Ende August machen wir rund drei Viertel unseres gesamten Jahresumsatzes. Allein Juli und August bringen fast ein Drittel. Wer da nicht liefert – steht im Winter auf dĂŒnnem Eis.

Denn was wir im Sommer erwirtschaften, brauchen wir nicht nur fĂŒr heute – sondern auch fĂŒr all die Monate, in denen kein einziger Euro reinkommt. Wir nennen das intern: Winterspeck anlegen. Und ja – der ist ĂŒberlebenswichtig.

Krank werden im Sommer? Bitte nicht. Kinder bekommen? Unbedingt! Aber lieber im Dezember als im Juli. 😉
Das klingt vielleicht streng – ist aber gelebte RealitĂ€t auf einer kleinen Nordseeinsel.


🧾 Kinderbetreuung & Ferienplanung: Insel-Edition

Zum GlĂŒck haben wir hier einen Kindergarten, der im Sommer durchgehend geöffnet ist. Ein echter Luxus. DafĂŒr gibt’s ĂŒber Weihnachten eine lĂ€ngere Schließzeit – und unter anderem deshalb bleibt auch unser GeschĂ€ft dann geschlossen.

Und wenn unser Kind spĂ€ter mal zur Schule geht? Dann jonglieren wir sechs Wochen Sommerferien mit sieben Öffnungstagen pro Woche. Aber: Noch haben wir zum GlĂŒck ein bisschen Zeit bis dahin.


📅 Ferienzeit ist nicht gleich Kaufkraft

NRW bringt viele GĂ€ste – aber die großen Warenkörbe kommen oft aus Bayern, Baden-WĂŒrttemberg oder Hessen. Die GĂ€ste von dort kaufen oft bewusster, hochwertiger, genießen gerne. Und wir lieben es, ihnen genau das zu bieten.

RheinlĂ€nder*innen gönnen sich ĂŒbrigens auch gern mal was – und ich freue mich jedes Mal, wenn ich im Laden wieder hemmungslos in den Dialekt zurĂŒckfallen darf. Et hĂ€tt halt alles sing Zick.

Man könnte unser GeschĂ€ft theoretisch je nach Ferienregion komplett umstricken – mal hochwertiger, mal gĂŒnstiger. Aber ehrlich: Das wĂŒrde mehr Unruhe reinbringen, als es bringt. DafĂŒr sind die Zielgruppen dann doch zu kurz auf der Insel.


đŸŒŠïž TagesgĂ€ste – das tĂ€gliche Grundrauschen

Was viele unterschĂ€tzen: TagesgĂ€ste bringen jeden Tag neue Menschen auf die Insel. Nicht mit dem grĂ¶ĂŸten Rucksack – aber mit Neugier, SpontankĂ€ufen und frischer Energie. Diese GĂ€ste halten den INSELWiNKEL lebendig – und sind oft die Urlauber*innen von morgen.

Unsere regulĂ€ren Urlauber*innen dagegen sind unser RĂŒckgrat: Sie versorgen sich wĂ€hrend ihres Aufenthalts regelmĂ€ĂŸig bei uns – mit KĂ€se, Wein und Leckereien. Und gegen Ende des Urlaubs – meist am Donnerstag – werden dann die Mitbringsel fĂŒr Zuhause eingekauft.
Das merken wir – in der Kasse. Und im Herzen.


🎄 Warum wir ĂŒber Weihnachten geschlossen haben

Viele finden das schade. Manche sind enttĂ€uscht. Und ja – wir verstehen das. Ehrlich.

Aber: Der Kindergarten hat zu, die große ErkĂ€ltungswelle rollt – und wir hatten tatsĂ€chlich schon einmal alles vorbereitet. Ware eingekauft, den Laden hochgefahren, Lichterketten aufgehĂ€ngt. Und dann lagen wir beide krank im Bett. Die verderblichen Artikel? Mussten entsorgt werden. Der Warenwert: dahin.
Ein echtes Risiko – das man nicht mal eben auffĂ€ngt.

Dazu kommt: Es ist kein Pappenstiel, den Laden nach einer intensiven Saison komplett runterzufahren, nur um ihn fĂŒr ein paar Tage im Dezember wieder hochzufahren – mit allem Drum und Dran – und dann wieder runterzufahren.
Das bedeutet: kein Weihnachten mit der Familie.

Weihnachten ist fĂŒr uns das einzige große Familienfest, das wir mit unseren Lieben auf dem Festland feiern können. Und genau das möchten wir bewusst tun – nicht zwischen TĂŒr und Angel, sondern mit Zeit und echter Ruhe.

Denn wer am Weihnachtstisch sitzt und weiß, dass in wenigen Stunden wieder sechs anstrengende Arbeitstage anstehen, der schaltet nicht ab. Da kommt keine festliche Stimmung auf. Man funktioniert einfach weiter.
Und genau das wollen wir nicht mehr.

Unsere VorgĂ€nger hatten ĂŒber Weihnachten geöffnet. Aber jeder fĂŒhrt sein Leben anders. Und die Rahmenbedingungen haben sich verĂ€ndert.
Wir sind eine junge Familie, ohne Verwandtschaft auf der Insel – mit einem kleinen Kind und vielen Verantwortungen. FĂŒr uns passt dieser Weg besser.

Einige Vermieter*innen sehen unsere Entscheidung kritisch. Ihre GĂ€ste fragen nach – und nicht alle haben sofort VerstĂ€ndnis. Das können wir gut nachvollziehen.

Wer vermietet, möchte die Wohnungen möglichst dauerhaft belegt wissen. Und natĂŒrlich ist man dann daran interessiert, dass es auch im Winter ein gutes Angebot auf der Insel gibt.

Aber: Genau das ist auch ĂŒber Weihnachten der Fall. Es gibt offene Restaurants, Le’s 2.Heimat und Silke vom Teekontor, die Edekas, das Schwimmbad – und vor allem das, was viele im Winter suchen:
Ruhe. Natur. Zeit fĂŒr sich.

Wir glauben: Eine Insel lebt nicht davon, dass alle immer geöffnet haben – sondern davon, dass die Menschen, die hier leben und arbeiten, mit Herz bei der Sache sind.
Und dass sie auch mal Pause machen dĂŒrfen. Damit sie bleiben können.


đŸ§Ÿ Fixkosten? Die laufen einfach weiter.

Ob der Laden offen ist oder nicht – Miete, Versicherungen, Kredite und BeitrĂ€ge summieren sich auf rund 10.000 € im Monat. Dazu kommen variable Kosten in Höhe von etwa 5.000 € – fĂŒr Personal, Strom, Wartung und mehr.

Wenn wir von Mitte November bis Mitte MĂ€rz pausieren, sparen wir nicht nur Kosten – sondern können auch das KĂŒhlhaus abschalten, GerĂ€te warten und: durchatmen.

Ach ja, noch was: Der INSELWiNKEL hat historisch bedingt keinen Gasanschluss. Ich stand im Dezember schon mal bei 11 Grad an der Kasse, obwohl der elektrische HeizlĂŒfter alles gegeben hat. Kuschelig ist anders.


đŸ„¶ Der lange Anlauf vor dem Start

Der MĂ€rz ist fĂŒr viele auf der Insel der schwierigste Monat. Ostern ist mal frĂŒh, mal spĂ€t – Pfingsten kommt noch spĂ€ter.
Bis dahin leben viele Insulaner*innen von RĂŒcklagen – und mĂŒssen krĂ€ftig investieren.

Denn bevor auch nur ein Produkt verkauft wird, muss Ware bestellt, die KĂŒhlung hochgefahren und Personal eingeplant sein.
Bei uns stecken im MĂ€rz oft rund 30.000 € Warenwert im GeschĂ€ft – noch bevor der erste KĂ€se ĂŒber die Kasse geht.

Hinzu kommen Steuerbescheide, Vorauszahlungen, Reparaturen – alles in einer Zeit, in der meist noch kein nennenswerter Umsatz lĂ€uft.


đŸ’¶ LiquiditĂ€t – und warum der Winterurlaub nicht selbstverstĂ€ndlich ist

LiquiditĂ€t – das große Thema, das immer mitschwingt.
Erst Ende August zeigt sich meist, ob ein Winterurlaub fĂŒr uns ĂŒberhaupt drin ist.

Seit wir 2019 den INSELWiNKEL ĂŒbernommen haben, sind wir jedes Jahr ein StĂŒck weitergekommen.
Unsere Anfangsjahre waren geprĂ€gt von Unsicherheiten: Es kam Corona – plötzlich, heftig – mit drastischen Einnahmeeinbußen. Es folgten die Energiekrise, der Krieg in der Ukraine, explodierende Einkaufspreise, Lieferschwierigkeiten, steigende Inflation – und immer neue Herausforderungen.

Gleichzeitig haben wir krĂ€ftig investiert: Der Umbau hat nicht nur LiquiditĂ€t gebunden, sondern auch zusĂ€tzlicheKredite erfordert – eine bewusste Entscheidung fĂŒr die Zukunft unseres GeschĂ€fts.

Heute – im sechsten Jahr – haben wir endlich das GefĂŒhl, in etwas ruhigere GewĂ€sser zu kommen.
Überraschende Steuernachzahlungen bringen uns nicht mehr so leicht aus dem Gleichgewicht und wir bauen uns langsam ein kleines finanzielles Polster auf.

Wir leben nicht im Überfluss. Aber wir wissen mittlerweile sehr genau, wie wir wirtschaften mĂŒssen, um durchzukommen – auch dank unserer Controlling-Erfahrungen aus unserer Zeit bei IKEA.
Und obwohl die GĂ€stezahlen auf der Insel seit Corona tendenziell rĂŒcklĂ€ufig sind: Wir kommen klar.
Weil wir gelernt haben, mit Augenmaß zu planen – und mit Herz bei der Sache zu bleiben.


💚 Was am Ende wirklich zĂ€hlt

Wer den Sommer auf Spiekeroog erlebt, sieht volle StrÀnde, entspannte Gesichter und oft auch: einen vollen INSELWiNKEL.

Was man nicht sieht: die Excel-Tabellen, die Fixkosten, das Risiko – und wie viel Herzblut, Organisation und Improvisation hinter jedem Sommertag im INSELWiNKEL stecken.

Danke, dass ihr uns unterstĂŒtzt – mit euren EinkĂ€ufen, euren Empfehlungen und euren lieben Worten.
Ihr helft uns nicht nur durch den Winter – sondern zeigt uns, dass sich all das wirklich lohnt.

3 Kommentare

Dorothea Honefeld

Dorothea Honefeld

Moin,
wieder ein interessanter Einblick in euren Insel- und Arbeitsalltag. Bewundernswert und einfach wunderschön, wie ihr eure kleine Familie und den Inselwinkel in Einklang bringt.

Moin,
wieder ein interessanter Einblick in euren Insel- und Arbeitsalltag. Bewundernswert und einfach wunderschön, wie ihr eure kleine Familie und den Inselwinkel in Einklang bringt.

Georg

Georg

Endlich mal kein Gejammer. Klare, deutliche Worte zu den Kosten aber auch ein Statement zum eigenem Unternehmen. Der beste Spruch und auch noch in Fett:
“Wir kommen klar!”
Liebe GrĂŒĂŸe und bis zum Oktober
Georg

Endlich mal kein Gejammer. Klare, deutliche Worte zu den Kosten aber auch ein Statement zum eigenem Unternehmen. Der beste Spruch und auch noch in Fett:
“Wir kommen klar!”
Liebe GrĂŒĂŸe und bis zum Oktober
Georg

Bernd Kopitzke

Bernd Kopitzke

Es ist richtig interessant, einmal auf diese Art hinter die Kulissen blicken zu können und zu sehen, was diese Art der SelbststĂ€ndigkeit fĂŒr sie bedeutet. Viele Klischees von Touristen, die oft eine hohe Erwartungshaltung haben, sollten sich damit erledigt haben. Danke fĂŒr den Einblick

Es ist richtig interessant, einmal auf diese Art hinter die Kulissen blicken zu können und zu sehen, was diese Art der SelbststĂ€ndigkeit fĂŒr sie bedeutet. Viele Klischees von Touristen, die oft eine hohe Erwartungshaltung haben, sollten sich damit erledigt haben. Danke fĂŒr den Einblick

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